Mit Stutenmilch abgefüllt:
Marc Steinmetz und
Autor Ralf-Peter Märtin

   
>> RANDNOTIZEN „KARAKORUM“
 
         
   

Eine „dirt story“ hatte ich mir seit langem
gewünscht, ein Archäologie-Thema. Die, die
ich bekam, hatte einen Haken: In Karakorum
gab es nicht viel zu sehen außer ein paar
Dutzend im Dreck wühlenden Leuten: Keine
spektakulären Funde, keine Gräber, keine
pittoresken Tempel. „Dirt stories“ können fies
sein, wenn es nicht gerade um ein prächtiges
Pharaonengrab geht und das Budget keinen
Helikopter-Flug hergibt, um wenigstens eine
Übersicht des Geländes zeigen zu können.
     Bei jeder Reportage quälen mich dieselben
Fragen: Wie das Thema in spannende Bilder
umsetzen? Wie das Unsichtbare sichtbar
machen? Ich kann abends nicht abschalten
und schlafe schlecht. Die 10 Tage in der alten
Mongolenhauptstadt waren keine Ausnahme.
     Vor Ort fand sich nichts, das hätte helfen
können, die Vergangenheit anschaulich zu
machen. Also nahm ich Zuflucht zu meiner
bereits in Ulaanbaatar entwickelten Idee, den
Erbauer des Palastes mit einem eleganten
Spiegeltrick in die Gegenwart zu rufen.

 

Das aufregendste Erlebnis verdanke ich den
Hunden, die Khar Khorin nachts beherrschen.
Zu tausenden streifen sie in wolfsgleichen
Rudeln umher und bringen einen mit ihrem
ständigen Geheul und Gekläff um den Schlaf.
     Nach einer aufwendigen Nachtaufnahme
auf der Grabung ging ich, bepackt mit rund
20 kg Fotokrempel, um Mitternacht allein die
drei Kilometer zurück zum Hotel, als plötzlich
eine Meute dieser Viecher hinter mir her war.
Kläffend, knurrend, fletschend. Und schnell!
Mein Ballast machte jede Flucht unmöglich,
lautes Brüllen beeindruckte die Köter wenig;
mir blieb nur der Kampf. Sie hatten mich fast
schon erreicht, da wurde ich schließlich zum
Berserker und teilte brüllend mit Stativ und
schwerer Taschenlampe beidhändig weite
Schwinger aus.
     Das wirkte! Wütend ließen die Biester von
mir ab, und so konnte ich vorsichtig den
Rückzug antreten. Ich war mächtig stolz auf
mich, aber meine Beine waren aus Wackel-
pudding, als ich meine Jurte erreichte.